"Bessere Zukunft für unsere Kinder"

Porträt Priscila Bueno
Priscila Bueno mit ihrer Tochter vor Wasserfall

Priscila Bueno arbeitet als Sustainability Manager bei Melitta South America in São Paulo, Brasilien. Im Interview erläutert sie, warum die Welt weniger Mode braucht – und wie schon eine Sechsjährige dafür sorgt, dass Tiere mehr zu trinken haben.

Priscila, du arbeitest seit November 2020 bei Melitta South America. Davor warst du als Sustainability Consultant bei der Unternehmensberatung PwC tätig. Was ist dein beruflicher Hintergrund?

 

Ich habe Umweltmanagement studiert. Das war 2005 ein ganz neuer Studiengang und ich gehörte zum ersten Jahrgang. Parallel habe ich an einem anderen College in São Paulo Business Administration studiert.

 

Moment… du hast parallel zwei Studiengänge an zwei unterschiedlichen Colleges in São Paulo absolviert? Wer die Stadt kennt, weiß, dass die Verkehrssituation heftig ist und man selbst für geringste Entfernungen richtig viel Zeit benötigt. Wie kann man sich deinen Tagesablauf damals vorstellen?

 

Ich bin um 6 Uhr morgens aufgestanden. Das College, an dem ich Umweltmanagement studiert habe, lag im Osten von São Paulo – die Fahrt dorthin dauerte etwa zwei Stunden. Dann war ich etwa vier Stunden in der Uni, bin anschließend wieder zwei Stunden zurückgefahren, habe etwas gegessen und gelernt. Um 19 Uhr bin ich zu meinem zweiten College gefahren, das zum Glück in der Nähe meines Zuhauses lag. Dort war ich dann bis 23 Uhr. Das Ganze habe ich zwei Jahre lang gemacht…

 

Wow. Warum hast du das gemacht?

 

Umweltmanagement war, wie gesagt, damals ein ganz neuer Studiengang und es war nicht klar, dass es in dem Bereich jemals Jobs in ausreichender Zahl geben würde. Mir lag das Thema aber sehr am Herzen und ich wollte es unbedingt studieren. Andererseits brauchte ich für mein persönliches Sicherheitsempfinden einen Plan B, um mich für alle Fälle breiter aufzustellen. So kam Business Administration dazu.

 

Über fehlende Jobs muss sich heutzutage kein Experte für nachhaltige Transformation Gedanken machen. Aber vor fünfzehn Jahren war das Thema für viele Menschen weniger präsent. Woher kam dein Interesse für das Thema?

 

Ich habe in meiner Kindheit viele obdachlose Menschen gesehen – das lässt sich in São Paulo gar nicht vermeiden. Schon als kleines Kind habe ich meine Mutter oft gefragt, wie man diesen Menschen helfen kann. Die Eindrücke aus dieser Zeit haben beeinflusst, wie ich die Welt sehe. Als ich vor der Frage stand, was ich studieren soll, schwankte ich zwischen dem Fach Mode und eben Umweltmanagement. Ich habe mir dann gesagt, dass Mode eigentlich nicht das ist, wovon die Welt noch mehr braucht – und habe mich für Umweltmanagement entschieden. Denn all die Themen, um die es beim Umweltmanagement geht – ob Biodiversität, Wasserversorgung oder die Müllproblematik –, tragen zum Wohlergehen der Menschen bei. Später habe ich verstanden, dass man unabhängig davon, was man tut, die Dinge so tun kann, dass man einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft hat.

 

Warum liegt dir die nachhaltige Transformation so am Herzen?

 

Die nachhaltige Transformation entscheidet darüber, wie wir in Zukunft leben. Die drei Säulen der Nachhaltigkeit sind ja die Umwelt, die Wirtschaft und das Soziale. Hinzu kommen übergeordnete gesellschaftliche Aspekte. Alle Bereiche sind eng miteinander verknüpft und ihr Zusammenspiel beeinflusst unser aller Zukunft. Ein Beispiel: Aufgrund des Klimawandels nehmen Trockenheit, Regen, Überflutungen oder Stürme zu. Das schädigt Bauern und Landwirte ganz unmittelbar, aber auch viele andere Wirtschaftszweige. Gleichzeitig verlieren wir viel Biodiversität, Ernten verschlechtern sich, Lebensmittelpreise steigen, was wiederum die soziale Schere weiter auseinanderklaffen lässt und die Gesellschaft destabilisiert.

 

Hast du denn persönlich Erfahrung mit den Auswirkungen des Klimawandels in Brasilien gemacht?

 

Ja, tatsächlich hatten wir im Februar dieses Jahres außergewöhnlich starke Regenfälle an der Nordküste der Region São Paulo. Da fiel an einem Tag die Regenmenge von zwei Monaten! Das hat zu Erdrutschen und Schlammlawinen geführt. Ich war im Urlaub dort und fand es beängstigend. Und: Wie es oft so ist, sind die Folgen solch einer Katastrophe für die Menschen am schlimmsten, die ohnehin schon sehr vulnerabel sind. Das zu erleben hat mich sehr mitgenommen.

Besuch auf Kaffeefarm in Brasilien
Zwei Hände an Kaffeepflanze

Warum, glaubst du, ist es angesichts solch immenser Schäden immer noch eine große Herausforderung, Menschen von der Dringlichkeit nachhaltigen Handelns zu überzeugen?

 

Das ist schwer zu sagen. Das Thema ist per se komplex. Und dann ist für viele Menschen der Zusammenhang zwischen dem eigenen Verhalten und den Auswirkungen auf die Umwelt immer noch zu abstrakt. Nach dem Motto: Wenn ich keine erneuerbare Energie nutze – was hat das mit dem Hurrikan auf der anderen Seite der Erde zu tun? Und dann gibt es eben extrem viele Beteiligte – da fragen sich viele Menschen sicherlich auch „Was kann ich denn schon ausrichten“ und tun im Zweifel gar nichts.

 

 

Die Melitta Gruppe stellt sich als Unternehmen der eigenen Verantwortung und treibt die nachhaltige Transformation unter dem Motto „Transform to Flourish“ voran. Auch Melitta do Brazil hat sich mit der Agenda „Melitta 2030“ sehr ehrgeizige Nachhaltigkeitsziele gegeben. Was ist dein Herzensprojekt in Sachen nachhaltige Transformation?

 

Da gibt es viele… Die Umstellung auf ein Biomassekraftwerk in unserer Papierfabrik in Guaiba war sehrspannend, ebenso das Projekt „Back to the roots“, das wir gemeinsam mit Kaffeefarmern durchgeführt haben und das auf die Säule „Kaffee der Zukunft“ einzahlt. Aktuell beschäftigt uns das Thema „Plastik der Zukunft“. Hier arbeiten wir daran, für die Verpackung unseres Kaffees eine nachhaltigere Lösung zu finden, denn Melitta hat sich zum Ziel gesetzt spätestens bis 2030 alle Verpackungen recyclingfähig zu gestalten.

 

 

Welche Botschaft an die Kolleginnen und Kollegen ist dir wichtig?

 

Ich wünsche mir, dass noch mehr Menschen auf der Welt das Thema nachhaltige Transformation aus vollem Herzen unterstützen. Wir haben dazu alle Möglichkeiten: den Austausch mit den wichtigsten Interessengruppen, das Wissen, die am Markt verfügbaren grünen Finanzmittel und die Technologien. Und wir sind eine starke Gemeinschaft. Ich glaube, es ist wichtig, jetzt Synergien zu schaffen, die unterschiedlichen Perspektiven zusammenzubringen und auch Kompromisse zu machen. Co-Creation ist wichtig, also Dinge gemeinsam zu tun. Es ist an uns, gemeinsam eine bessere Zukunft für unsere Kinder zu schaffen.

 

Du hast ja eine sechsjährige Tochter. Wie bringst du ihr den verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen bei?

 

Meine Tochter liebt das Wasser – und für meinen Mann und mich war es nicht leicht, ihr zu erklären, dass sie nur kurz duschen soll. Ich habe ihr dann erklärt, dass die Tiere, die sie ebenfalls sehr liebt, Durst haben und wir das Wasser mit ihnen teilen müssen. Das hat sie verstanden. Sie ist wirklich clever und ich liebe sie sehr.